Samstag, 20. April 2024

Offener Brief an die Mitbürger von Jan Südmersen

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Kolumne von Jan Südmersen, Brandamtmann bei der BF Osnabrück

 

Liebe Mitbürger,


ihr kennt uns vielleicht nicht richtig, aber wir kennen Euch und dienen Euch: die Feuerwehr. Wir wenden uns an Euch, da es immer noch einige Fehlinformationen über uns gibt. Ihr habt vielleicht gehört oder gelesen, dass es nicht mehr genügend Freiwillige gibt, die kommen, wenn die Sirene ertönt. Oder Ihr denkt, dass einige von uns nicht mehr wissen, warum sie in der Feuerwehr sind und was das wirklich bedeutet - für uns und für Euch. Oder es gibt Leute, die uns vorwerfen, nicht alles getan zu haben, um Ihr Leben und Ihren Besitz zu schützen. Nun, ich versuche es mal zu erklären.


Zu allererst: Wir sind immer noch da. Wir sind immer da. Jederzeit bereit auszurücken, wenn jemand unsere Hilfe benötigt. Wir rücken aus, ohne Ansehen der Person. Wir prüfen nicht die Kreditwürdigkeit und Ihr müsst auch keinen schriftlichen Antrag ausfüllen. Einfach anrufen und wir kommen. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.


Uns interessiert nicht, welchen Platz Ihr in der Gesellschaft habt oder aus welchem Land Ihr kommt. Wir kümmern uns um die Wohlhabenden und um die Obdachlosen. Wir behandeln Eure Kinder, Eure Senioren, Euer Heim oder Euer Geschäft. als wenn sie zu uns gehören würden. Das ist nicht nur eine Dienstleistung, die man mit Steuern erkauft hat, es ist eine Berufung und eine besondere Tradition, die Ihr heutzutage eher selten finden werdet. Außer bei uns, Eurer Feuerwehr.


Feuerwehrleute sind keine Heiligen oder Helden - sondern Menschen. Auch wir haben Fehler. Aber Ihr könnt Euch absolut sicher sein, dass wenn es bei Euch brennt und Ihr oder Eure Familie bedroht werdet, wir alles machen, was möglich ist - oft auch mehr.


Wir alle bereiten uns intensiv darauf vor, Menschen aus einem Feuer zu retten, ihnen den qualvollen Tod durch Verbrennen oder Ersticken zu ersparen. Wir müssen dafür bereit sein, jederzeit und überall. Dies ist unsere Pflicht und unser Selbstverständnis, dies ist unsere edelste und ehrenhafteste Aufgabe. Diese Tradition trägt uns durch Hohn und Spott, ungerechtfertigte Kritik und Arroganz, mit der die Feuerwehr oft bedacht wird.


Wir wollen mit Sicherheit nicht reich werden oder besondere Vorteile haben, aber ein wenig mehr Verständnis wäre schön. Wir arbeiten Weihnachten und Ostern, wir rennen zum Alarm, wenn unsere Kinder ihre Geburtstagsgeschenke aufmachen. Wir verpassen Grillabende, Fußballspiele, Schulaufführungen und schöne Momente mit unserer Familie, weil wir zum Einsatz müssen.
Leider erleben wir bei jedem wirtschaftlichen Abschwung, dass gleich an die Feuerwehr gedacht wird, wenn es ums Sparen geht. Wir versuchen, wirtschaftlich mit Eurem Geld umzugehen. Aber wenn das Feuerwehrfahrzeug deutlich älter ist als der Fahrer, spezielles Gerät fehlt oder sich die Schutzkleidung auflöst, dann kann man nicht "improvisieren". Auch bringt es nichts, viele Feuerwehrfahrzeuge zu kaufen, um Personal zu sparen. Feuerwehrleute retten Menschen und löschen Brände, nicht die roten Autos. Wir brauchen Technik und Personal, um Euch helfen zu können.


Ihr werdet denken, dass hier Feuerwehrleute zu idealisiert dargestellt werden. Aber dazu stehe ich, weil ich Feuerwehrleute gesehen habe, die Ihr Leben und Ihre Gesundheit für Menschen riskiert haben, die das nicht einmal wissen und auch nie wissen werden. Und in einigen Fällen für Menschen, denen das auch ganz egal war. Ich habe gestandene Männer gesehen, die eine 85-jährige Großmutter das vierte Mal in der Woche zurück in Ihr Bett hoben, aus dem sie gefallen war - vorsichtig, freundlich und einfühlsam. Ich habe gesehen, wie sie Leben in diese Welt brachten und Leben wieder zurückholten, oft am Rande der Erschöpfung.


Ich habe sie auch gesehen, wenn sie es nicht geschafft haben. Ja, auch wir trauern. Wir trauern zusammen und wir trauern alleine. Wir trauern wenn wir einen Kameraden aus seinem Unfallwrack schneiden müssen, und wir drohen zu zerbrechen, wenn wir verkohlte Kinderleichen bergen müssen. Was wir im Laufe der Jahre sehen und ertragen müssen, ist bei weitem nicht normal. Aber trotzdem sind wir da, um Euch zu beschützen. Trotz alledem.


Zum Schluss: Wir tun "es" nicht, um uns in den Mittelpunkt zu stellen. Darum geht es uns nicht. Feuerwehrleute wollen keinen Orden. Sie werden dann sagen, dass sie nur ihren "Job" machen. Sie tun es, weil sie es als ihre Berufung und ihre Pflicht sehen, "Ihre" Familie zu schützen. Schön wäre es aber, eine sinnvolle, verlässliche Ausstattung und gute Schutzkleidung zu haben. Und eine Ausbildung, die es uns ermöglicht, Euch zu schützen und gesund zu unseren Familien zurückzukehren. Und die Gewissheit, nicht immer hinterfragt zu werden, wenn das Geld scheinbar knapper wird.

Quelle: Feuerwehr Magazin 06/2013

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